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Wer für sich sorgt, ist ein besserer Partner (Teil1)

Es ist für mich immer wieder ein echter Wermutstropfen, wenn nahe Beziehungen dazu führen, dass man dem Partner mitunter weniger an Selbstdisziplin und Höflichkeit entgegenbringt als einem Fremden. Weil man einander vertraut ist, lässt man sich gehen und erwartet, anders als bei einem Fremden, dass der Andere es so hinnimmt und aushält.

Die andere Seite dieser Medaille ist, wenn Menschen sich mit ihrem Anspruch an sich selbst überfordern. Man schluckt zu häufig etwas herunter und reißt sich in einem unmenschlich hohen Maß zusammen. Ich weiß, dass dahinter eine gute Absicht steckt. Es wird aber unterschätzt, dass man dabei Gefahr läuft, richtig unzufrieden zu werden. Auf Dauer blockiert es auch die Nähe zwischen Partnern, wenn einer mit seinen Bedürfnissen nicht sichtbar wird.

Wundert es Sie, wenn ich jetzt sage: Solche Verhaltensmuster sind ein Ausdruck dafür, dass sich die Betroffenen zu wenig um sich selbst kümmern? Wer für sich selbst sorgt, hat sein Wohlbefinden im Blick und sucht nach angemessenen Bewältigungsstrategien. So kommt man mit sich selbst besser zurecht. Und das macht einen nicht nur persönlich zufriedener, sondern automatisch auch zu einem besseren Partner.

Leider ist Selbstfürsorge als eine Art von Selbstführung noch nicht so bekannt, wie es aus meiner Sicht wünschenswert wäre. Deshalb lassen Sie uns erst einmal einen genaueren Blick darauf werfen, was Selbstfürsorge eigentlich bedeutet.

Was genau ist Selbstfürsorge?

Als Kind haben wir ein Recht darauf, dass uns unsere Eltern versorgen: mit einem Dach über dem Kopf. Einem vollen Kühlschrank und warmen Mahlzeiten. Streicheleinheiten. Trost, Ermutigung und Beruhigung. Erziehung, Bildung und der Förderung unserer Talente. Wie gut es den Eltern gelingt, ihrem Kind gerecht zu werden, ist dabei ein anderes, ganz eigenes Thema.

Wichtig ist, sich bewusst zu machen:

Das Recht auf die Versorgung unserer Bedürfnisse schrumpft mit jedem Lebensjahr ein wenig mehr.

Vom Rund-um-Versorgungspaket als Säugling nimmt dieser Anspruch bis zur Volljährigkeit von Jahr zu Jahr etwas ab. Groß werden heißt selbstständig werden.

Wenn wir schließlich erwachsen sind, müssen wir uns alleine um uns kümmern und selbst für uns sorgen.

 

Was sind die wichtigsten Bereiche von Selbstfürsorge?


Woraus setzt sich Selbstfürsorge zusammen? Aus meiner Sicht ist die Unterteilung in folgende Bereiche hilfreich:

Die Basics - Schlaf. Essen. Bewegung.


Als Erstes geht es um ganz körperliche Bedürfnisse.

Es gibt drei Grundbedürfnisse, die erfüllt werden müssen, damit der Körper überhaupt funktioniert:

- ausreichend Schlaf,
- nahrhaftes Essen
- ein Mindestmaß an Bewegung.

Dazu ist es wichtig zu wissen: Wenn Ihr Körper nicht gut versorgt wird, wirkt sich das rein biochemisch auch auf Ihre Stimmung aus.

Das funktioniert so wie eine einfache Rechenaufgabe. Wer dauerhaft zu wenig Schlaf bekommt, wird beispielsweise dünnhäutiger, hat weniger Geduld und verliert an Einfühlungsvermögen für andere. Oder wer unterzuckert ist, ist schneller gereizt. Wer sich nur aufs Sofa vor den Fernseher hockt, der fühlt sich weniger energiegeladen als jemand, der regelmäßig körperlich aktiv ist.

 

Selbstfürsorge heißt: eine gute Grundversorgung unseres Körpers sicher zu stellen.

 

Die innere Welt - sich selbst mitkriegen


Der zweite große Bereich ist unsere innere Welt. Also das, was sich in uns abspielt.

Nicht jeder beschäftigt sich automatisch mit dem, was ihn innerlich bewegt. Da gibt es Unterschiede: Manche Menschen haben ganz selbstverständlich einen Draht zu diesem Innen oder es ist ihnen beigebracht worden. Anderen ist es eher eine fremde Welt. Sie sind es nicht gewohnt, sich nach innen zu wenden, um etwas von diesen Dingen mitzukriegen.


Mit „Dingen“ meine ich dabei nicht bloß Sachen, sondern vor allem Wünsche, Gefühle, (Lebens)Vorstellungen, Überzeugungen oder Werte. Diese können in einzelnen Situationen spürbar werden oder auch dauerhaft wie eine Art Grundrauschen sein.

Unabhängig davon, ob Sie viel von Ihrer inneren Welt mitkriegen oder nicht, sie ist da und spricht mit Ihnen.

Häufig sendet sie zunächst bloß diffuse Signale aus. Um diese Informationen zu entschlüsseln, ist eine intensivere Hinwendung nötig. Dadurch erst können Ihnen Ihre dahinter steckenden persönlichen Bedürfnisse und Grenzen deutlich werden.

 

Selbstfürsorge heißt: die Sprache seiner inneren Welt zu erlernen und mit ihr in Kontakt zu sein.

 

Die Haltung - Mitgefühl für sich haben


Der dritte Bereich ist unser Umgang mit uns selbst, wenn es uns nicht gut geht und wir leiden. Wir alle haben solche Momente: etwa, weil wir uns unfähig fühlen, weil uns das Leben übel mitspielt, weil wir nicht das bekommen, was wir uns wünschen oder von dem wir denken, es stünde uns zu. Niemand von uns lebt ein filmreifes Hollywoodleben.


Was ich in meiner Arbeit immer wieder erlebe, ist, dass zu viele Menschen dazu neigen, sich im Kopf zusätzlich runterzumachen, wenn es ihnen eh schon nicht gut geht. Man denkt etwas wie, „Stell dich nicht so an.“ oder „Ich hätte es besser hinbekommen müssen.“ Eine Art, wie man seine Lieben und Freunde niemals behandeln würde.

Der gesunde Menschenverstand weiß schließlich:
Was einem hilft, schwierige Situationen oder Zeiten durchzustehen, sind Anteilnahme, Trost und Ermutigung.
Mitgefühl für sich haben bedeutet, sich diese Einfühlsamkeit selbst entgegenzubringen. Mit freundlichen Gesprächen im Kopf oder rein praktisch als Fürsorge (z. B. einer Tasse Tee, einem Spaziergang oder mal früh schlafen gehen).

 

Selbstfürsorge heißt: sich selbst freundlich zu unterstützen, wenn man leidet.

 

Die Verantwortung - bewusste Entscheidungen treffen


Der vierte Bereich beinhaltet das bewusste Entscheiden über unser Verhalten. Vieles von dem, wie wir innerlich auf bestimmte Situationen reagieren, ist über die Lebensspanne hinweg automatisiert worden. Auch mit dem Partner haben sich Verhaltensmuster eingespielt. Wir denken nicht weiter darüber nach. Unser Verhalten passiert uns oft einfach so.

Für Verhaltensmuster, die konstruktiv und fruchtbar sind, kann man sich glücklich schätzen. Wenn Sie sich aber regelmäßig in bestimmten, schwierigen Situationen wiederfinden, sollten Sie sich die Mühe machen, diese mal zu durchleuchten. Es könnte ein unbewusstes, ungünstiges Verhaltensmuster dahinter stecken.

Und nur wer erkennt, was er selbst zu einer Situation beiträgt, kann wählen, ob er so handeln will oder anders.

Horchen Sie auch direkt in hakeligen Situationen nach innen und fragen Sie sich:

„Wie will ich mich jetzt verhalten?“,
„Was will ich jetzt tun?“,
„Wie will ich jetzt darüber denken?“

Das erhöht die Chance auf mehr bewusste, besonnene Entscheidungen, die Ihnen Zufriedenheit schenken.

Sicherlich haben Sie schon bemerkt, dass hier auch Ihr Zugang zur inneren Welt mit reinspielt.

 

Selbstfürsorge heißt: Man übernimmt Verantwortung für die Wahl seines Verhaltens.

 

Wer Selbstfürsorge für sich im Blick hat und danach handelt, der tut sich gut. Bitte verwechseln Sie Selbstfürsorge aber nicht mit Rücksichtslosigkeit. Wer sich um sich kümmert, zeigt häufiger als andere ein reifes, angemessenes Verhalten – sich selbst und auch dem Partner gegenüber.

 

 

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Von Petra Nordhaus - Als Beziehungscoach & Paartherapeutin helfe ich Menschen, in Liebesdingen klarer zu sehen