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Daran hat Ihr Partner zu kauen: Sie schenken ihm zu wenig Anerkennung und Wertschätzung

von Petra Nordhaus

Jeder von uns hat einen Alltag. Normal. Gehört zum Leben dazu. Genauer gesagt, macht den Großteil unseres Lebens aus. Wir alle stecken quasi in einer Art Alltagskorsett. Denn jeder Alltag hat feste Eckpfeiler und Pflichten, die tagein tagaus erledigt werden müssen. Erwachsen sein heißt, das zu akzeptieren, Verantwortung zu übernehmen und den Anforderungen nachzukommen.

Wer sich als Paar zusammentut, kann sich den Alltagsaufgabenpool teilen. In meinen Beratungen erfahre ich dabei immer wieder, wie groß der Kraftaufwand ist, den jeder Partner bereit ist dabei aufzubringen. Die Menschen strengen sich riesig an ihr Bestes zu geben. „Respekt“, denke ich ganz oft bei diesen Schilderungen.

Viele Paare sind erstaunt, wenn ich ihnen meine Anerkennung für ihren Einsatz zolle. Manch ein Partner sagt aber auch, „Endlich sieht mal einer, was ich da bringe. Es tut weh, wenn mein Mann/ meine Frau im Alltag einfach drüber weggeht.“

Zu wenig Wertschätzung gefährdet die Beziehung 

Ich will Sie deshalb warnen: Wenn Sie den Einsatz Ihres Partners nicht würdigen (was oft aber auch erfordert zunächst den eigenen Einsatz anzuerkennen), kann sich das zu einem Riesenproblem in Ihrer Partnerschaft auswachsen. Ich warne Sie, weil ich weiß, dass es meistens nicht an der Bereitschaft sondern am Wissen fehlt, wenn Partner einander zu wenig Wertschätzung zeigen.

Das Risiko "Selbstverständlichkeit"

Vielleicht unterläuft Ihnen ja auch – wie vielen anderen - der folgende Denkfehler: Sie sehen etwas als „normal“, im Sinne von „alltäglich und vereinbart“, an und befassen sich deshalb im Alltag nicht groß mit dem Wert, den dieses Normale für Sie hat.

Denn, es ist normal und damit selbstverständlich, dass man zu Hause sauber macht.
Es ist normal und damit selbstverständlich, dass man arbeiten geht und den gemeinsamen Haushalt finanziert.
Es ist normal und damit selbstverständlich, dass man die Kinder betreut.
Es ist normal und damit selbstverständlich, dass der Partner da ist.

Ergo drückt man dafür dem Partner gegenüber keine Wertschätzung aus. Warum das fatal ist, zeige ich Ihnen gleich auf. Vorher machen Sie sich bitte einmal Folgendes klar: Da Sie gerade diesen Text lesen ist anzunehmen, dass Sie lesen und schreiben können. Ein Umstand den Sie, wie ich selbst, wahrscheinlich als normal und damit selbstverständlich bewerten. Gleichwohl ist es tierisch viel wert, diese Fähigkeiten zu beherrschen. Denn überlegen Sie mal, was da an Problemen auf Sie zukäme, wenn Sie Analphabet wären! Ein Wert schrumpft also nicht automatisch, weil etwas normal, üblich oder alltäglich ist. Das genaue Gegenteil kann sogar der Fall sein.

Das Risiko "Tagestaktung"

Die zweite Barriere, die einen Mangel an Wertschätzung mit verursacht, hängt damit zusammen, dass unsere Alltagsstruktur den Takt vorgibt. Man ist so darauf geeicht den vorgegeben Takt zu halten, dass viele Aufgaben unbewusst und nahezu in Aufziehmännchenmanier erledigt werden. Das meine ich nicht abwertend. Es ist ja vollkommen natürlich, dass wir einen großen Teil unser täglichen Aktionen automatisiert verrichten. Alles Andere könnte man auch gar nicht aushalten! Stellen Sie sich vor, Sie würden sich über jeden Reiz, der auf Sie einwirkt, bewusst sein und jedes Mal überlegt reagieren. Bei zehn Millionen Informationseinheiten, die pro Sekunde auf uns einströmen, ist das ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen.

Dabei gerät aber Vielen aus dem Blickfeld, dass es ja zwischen den getakteten Anforderungseckpfeilern freien Raum gibt. So kommt einem gar nicht in den Sinn, mal einige Sekunden lang den Kopf frei zu machen und den Partner innig zu umarmen. Dem Blitzgedanken „Bin ich froh, dass mein Lieblingshemd schon gewaschen und gebügelt ist.“ nachzugehen und dem Partner „danke“ zu sagen. Oder die warme Mahlzeit auf dem Teller vor sich nicht für selbstverständlich zu nehmen und den Partner zu loben.

Bei all dem was im Alltag so los ist, kommen viele Menschen also aufgrund von Selbstverständlichkeit und Tagesrhythmus nicht auf die Idee kurz mal inne zu halten und das, was gut funktioniert, anzuerkennen und wertzuschätzen. Aber Achtung, verwechseln Sie diesen Umstand bitte nicht damit, dass keine Wertschätzung da ist. Doch, ist sie meistens schon. Nur steckt sie irgendwo im Hinterstübchen der Partner. So gut verstaut, dass man sie im Hier und Jetzt leider nicht automatisch spürt. Wie bedeutsam manch „Kleinigkeit“ für uns ist, kriegen wir in voller Wucht dann zu spüren, wenn wir sie zu verlieren drohen. In Momenten beispielsweise, in denen ein Partner Trennungsgedanken ausspricht, wird dem anderen sehr intensiv bewusst, was er dadurch auch an ganz profanen Dingen verlieren könnte.

Entschleunigen und achtsam werden

Sie fragen sich, wie Sie nun die beiden Barrieren „Selbstverständlichkeit“ und „Tagestaktung“ überwinden und mehr Wertschätzung spüren und zeigen können? Wechseln Sie stellenweise im Alltag bewusst zwischen dem Funktionieren- und dem Spüren-Modus hin und her. Dazu müssen Sie entschleunigen und achtsam werden. Die Taktung für den Spüren-Modus kommt nämlich nicht von außen sondern von innendrin. Sie horchen also auf Ihre Innendrin-Stimme mit ihren Gefühlen und Gedanken. Dadurch wechseln Sie vom Funktionieren ins Erleben. In diesem Modus kann echte, spürbar nahe Begegnung stattfinden.

Man stellt einen Draht zueinander her, indem man sich für die Sekunde auf sein inneres Erleben einlässt und sich damit dem Partner zeigt.

- Das kann mit Worten passieren. Zum Beispiel indem man rückmeldet wie schön es ist, dass der Partner die Spuren vom Besuch am Vorabend beseitigt hat.
- Inneres Erleben kann man aber auch körperlich zeigen. In einem Anflug von Dankbarkeit streift man beispielsweise dem Anderen zärtlich über den Rücken.
- Oder man drückt sein Inneres über Taten aus und verwöhnt die/den Liebste/n zum Beispiel indem man eine Leckerei vom Konditor mitbringt.

Funktionieren plus Spüren - ein Dreamteam

Es wäre jetzt allerdings ein Irrtum zu glauben, dass der Spüren-Modus besser ist als der Funktionieren-Modus. Er ist anders. Aber beide Modi sind wichtig – schließlich muss der Alltag ja laufen. Dazu ist es eben nötig, dass man funktioniert und Aufgaben erledigt. Im Spüren-Modus hingegen liegt das Augenmerk auf dem inneren Austausch zwischen den Partnern. Dann kann Wert geschätzt werden, was der Partner für das gemeinsame Wohl leistet. Diese Anerkennung gibt dem eigenen Einsatz und der Kraftanstrengung einen Sinn. Sie verleiht Bedeutung und macht die Mühe wert. Das eigene Funktionieren wird belohnt. Sie sehen, Funktionieren und Spüren bzw. Erleben sind im Grunde ein Dreamteam.

Das Unglücklichsein des Partners ernst nehmen

Kommen wir zurück zu meiner Warnung. Paare, die irgendwann nur noch im Funktionieren-Modus miteinander zu tun haben, bringen ihre Beziehung in Gefahr. Bei solch einem Umgang empfinden Partner sich über kurz oder lang vom Anderen instrumentalisiert. Weil man für den Anderen nur noch der Aufgabenerlediger zu sein scheint, fühlt man sich als Person nicht mehr gesehen. Es stellt sich ein Gefühl von austauschbar-sein ein.

Das Verrückte dabei ist, dass man all die Aufgaben ja nur aus einem bestimmten Grund bereit ist zu erledigen: der Andere war (und ist) einem so wichtig, dass man sich als Paar zusammen getan hat. Es ist schließlich keine Beliebigkeit, dass man genau für diesen einen anderen Menschen so viel Einsatz bringt. Umso mehr fehlt es einem, wenn dafür die Anerkennung und Wertschätzung ausbleiben. Hält das an, wird aus dem Schmerz irgendwann Ärger.

Wenn Sie als Partner solch ein Alarmzeichen nicht ernst nehmen und mehr Wertschätzung und Anerkennung zeigen, wird sich der Ärger Ihres Partners wahrscheinlich irgendwann in Gleichgültigkeit wandeln. In dieser Phase fängt Ihr Partner an sich mit der Situation zu arrangieren. Mehr aber nicht. Deshalb Vorsicht: Beschwert sich Ihr Partner nicht mehr, ist das kein Zeichen von Entwarnung.

Wenn Sie nur noch nebeneinander her leben, entsteht eine Lücke zwischen Ihnen und Ihrem Partner, die sich nicht selten zu einer Kluft ausweitet. Meistens kommt einer von beiden Partnern mit der Zeit dann an einen Punkt, an dem ihm die Partnerschaft so nicht mehr reicht. Das Paar steht jetzt an einer Weggabelung. Trennung oder Weckruf für einen Neustart der gemeinsamen Beziehung – beide Optionen sind dann möglich.

Kategorien: Beziehungsdünger

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Von Petra Nordhaus - Als Beziehungscoach & Paartherapeutin helfe ich Menschen, in Liebesdingen klarer zu sehen