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Vertragen braucht keine Lösung des Problems

Die Überzeugung, aufkommende Meinungsverschiedenheiten jedes Mal sofort mit dem Partner ausdiskutieren zu müssen, kann kräfteraubend sein. Einerseits leiden die Betroffenen extrem, weil sie innerlich zum Zerreißen gespannt sind und die Situation so nicht länger aushalten. Andererseits mutet man dem Partner mit dieser einer Haltung einiges zu.

Grund genug, sich einmal genauer anzuschauen, warum ein unerbittliches Sofort-Ausdiskutieren-bis-zur-Lösung nicht der einzig mögliche Weg ist mit einer inneren Anspannung klar zu kommen. 

Brauchen Sie aus Gewohnheit sofort Klärung?


Ist zwischen Partnern dicke Luft, scheint es auf den ersten Blick klar, wie die Luft bereinigt werden kann: Das Problem muss aus der Welt geschaffen werden. So lange die Dinge nicht geklärt sind, rattert es bei einem wie blöde im Kopf. An Entspannung ist nicht zu denken. Schlafen gehen könnten Sie so auf keinen Fall. Davon sind Sie überzeugt. Aber haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was überhaupt an dieser Überzeugung dran ist?

Hand aufs Herz, wie oft haben Sie tatsächlich etwas Anderes ausprobiert, wenn es zwischen Ihnen und Ihrem Partner zündelte? Ein Mal, zwei Mal, vielleicht sogar kein Mal? Oder aber einen Schritt davor: Wie oft ist Ihnen der bloße Gedanke gekommen, ob man das Problem vorübergehend auch parken könnte – unabhängig davon, ob Sie diesem dann gefolgt sind?

In meinen Beratungen entdecken die Menschen meistens, dass ihre Überzeugung „Nur-so-geht-es“ aus der Gewohnheit rührt, aufgepeitschte Gefühle immer auf ein und dieselbe Weise zu händeln. Der Grund dafür: Sie dachten, dass sie ihrem Gefühlssog gegenüber machtlos sind und es nur diesen einen Umgang damit gibt – das Sofort-Ausdiskutieren. Folgender Gedanke war neu: Wer die Fähigkeit hat sich selbst zu beruhigen, kann in emotional aufgeheizten Momenten mit dem Partner auch mal einen Stopper akzeptieren oder selbst setzen, wenn es sinnvoll erscheint. Was denken Sie, wie gut sind Sie darin sich emotional runter zu regeln? Haben Sie sich das schon einmal gefragt?

Welchen Preis zahlen Sie für Ihr Vorgehen?


Wer vom Partner verlangt, die Dinge immer auf der Stelle mit ihm auszudiskutieren, der sollte sich die Situation einmal durch die Brille des Anderen anschauen: Wenn der Partner zum Gespräch bereit ist, kein Problem. Ganz anders sieht es aber aus, wenn der Andere gerade seine Ruhe haben möchte und das auch sagt. Wenn ihm ein Gespräch womöglich zu viel ist. Dann fühlt er sich durch Ihre Forderung bedrängt oder genötigt. Und sein Gefühl stimmt ja auch: sie ignorieren seine Grenze.

Das ist dann wie Tauziehen: Sie ziehen an Ihrem Partner, weil Sie dieses Gespräch jetzt sofort wollen, nein, gefühlt ja brauchen. Und er sträubt sich dagegen. Das alleine ist schon enorm anstrengend. Für beide Partner. Parallel dazu sind Sie aber schließlich durch das Problem-Thema emotional aufgewühlt. Deshalb sind die eigenen Anstrengungen, ein Gespräch zu erzwingen, meistens nicht gerade von freundlichen, ruhigen Worten begleitet. Keine guten Voraussetzungen also für ein fruchtbares Gespräch. 

Ich höre in meinen Beratungen regelmäßig, dass in solchen Gesprächen folgendes Verhalten abläuft: Der Sofort-reden-müssen-Partner öffnet seine Gesprächsschleusen komplett und überflutet den Anderen mit all seinen Gefühlen. Das passiert ihm automatisiert ohne, dass er darüber nachzudenkt. Man lässt seinen inneren Gefühlsdruck einfach mit voller Wucht raus. Was das für den Partner bedeutet, was man ihm zumutet, um sich selbst zu entlasten, wird außer Acht gelassen. Vermutlich stimmen Sie mir zu, wenn ich behaupte, dass in diesem Zustand häufig Dinge gesagt werden, die man mit etwas Abstand so nicht mehr meint, nicht mehr wichtig findet oder die einem später gar leid tun. Deshalb machen Sie sich bitte klar, selbst wenn Sie nach solch einem Gefühlsausbruch das Ganze schnell abhaken können, für Ihren Partner kann das völlig anders aussehen. Denn gesagt ist gesagt. Viele Partner erzählen, dass sie an diesen Situationen noch lange zu knabbern haben. Ganz davon ab: Finden Sie, dass solch ein Verhalten Ihnen selbst gerecht wird? Denn ist der Moment des Sich-so-gehen-lassens für Sie nicht auch ein wenig würdelos?

Werfen Sie nicht Problem und Beziehung in einen Topf


Wenn die Gefühle innerlich auf Hochtouren laufen, versinken manche Menschen darin und vergessen dabei, dass Sie mehr sind als bloß ihre Gefühle. Die Realität wird ausgeblendet. Und genau hier können Sie ansetzen, wenn Sie Ihre bisherige Sofort-ausdiskutieren-müssen-Gewohnheit verändern wollen: 

Machen Sie den Realitätscheck!


Fragen Sie sich in einem solch aufgewühlten Zustand ganz bewusst:

  • Wie dringend ist es angesichts des Themas, dass Hier und Jetzt eine Lösung her muss? Sie werden dabei merken, dass die meisten Dinge de facto nicht auf der Stelle geklärt werden müssen. Manchmal kann es sogar wichtig sein, schwierigen oder komplexen Themen etwas Zeit und Raum zu geben, um sich mit dem Problem intensiver zu beschäftigen. Dann ist es ein wichtiger Schritt sich einzugestehen, dass es für den Moment keine passable Lösung gibt.
  • Wie gut bin ich gerade zu einem konstruktiven Gespräch in der Lage? Wer sich selbst so befragt, der nimmt sich ernst. Denn nur, wenn man tatsächlich innerlich die Kapazität für ein schwieriges Gespräch hat, kann man etwas voran bringen. Wer emotional hochgradig gestresst ist, macht die Dinge im Gespräch oft schlimmer.

Vergessen Sie nicht: Ihr aktuelles Problem macht bloß einen Teil Ihrer Beziehung aus. Es ist ja nicht die Beziehung an sich. Das sind zwei verschiedene Dinge.

Bei Problemen die guten Gefühle nach vorne holen


Holen Sie sich das im Kopf nach vorne, anstatt sich Ihren schmerzhaften Gefühlen hinzugeben und sich in einen emotionalen Erregungszustand einsaugen zu lassen, der Ihnen nicht gut tut und Ihrer Beziehung schadet. Erinnern Sie sich an das, was Sie mit Ihrem Partner grundsätzlich verbindet. Was Ihre Beziehung im Kern ausmacht. Koppeln Sie sich gedanklich daran an, dass Sie sich gegenseitig wichtig sind und lieben. Ich weiß, wie herausfordernd dieser Vorschlag für Sie klingen muss, weil es sich in Momenten der Meinungsverschiedenheit, Kränkung oder des Ärgers an der Oberfläche nicht danach anfühlt.

Wenn Sie sich aber im Kopf wachrufen, dass das Hauptgewicht Ihrer Beziehung die gegenseitige Liebe, Achtung, Wohlwollen und vieles mehr ausmacht, docken Sie an einer inneren Haltung an, mit der Sie es schaffen können, sich zu beruhigen bzw. beruhigen zu lernen und Problemgespräche zu vertagen, wenn es sinnvoll ist. Und zwar, ohne dass in der Zwischenzeit zwischen Ihnen und Ihrem Partner Eiszeit herrscht. Vertragen heißt dann nicht, das Problem gelöst zu haben. Vertragen meint dann, sich wieder spürbar zu mögen trotz eines Problems.

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Von Petra Nordhaus - Als Beziehungscoach & Paartherapeutin helfe ich Menschen, in Liebesdingen klarer zu sehen