Was Affairen vom TV-Format „Der Bachelor“ lernen können
von Petra Nordhaus
Vor wenigen Wochen ist die achte Staffel von „Der Bachelor“ zu Ende gegangen. Das Konzept: ein Mann sucht unter 22 Frauen die Eine. Von den vorangegangenen sieben Staffeln haben sich bis auf eins alle Bachelorpaare schnell wieder getrennt, obwohl es die große Liebe sein sollte.
Verliebtsein tut gut. Es bringt große Gefühle mit sich, in die man sich so richtig reinsteigern kann. Kein Wunder, dass Verliebtsein da gerne auch mal mit Liebe verwechselt wird.
Dieser Irrtum kann zu vorschnellen Entscheidungen führen, wenn Sie in einer Beziehung sind und jemand anderer ins Spiel kommt.
Verliebtheitsgefühle werden produziert + künstlich verstärkt
Beim Bachelor weiß man es geschickt zu nutzen, dass Gefühle von Verliebtheit unter bestimmten Bedingungen besonders gut gedeihen. So kitschig das TV-Format sein mag, es zeigt superanschaulich, wie sich Verliebtheit bahnen und sogar beschleunigen lässt.
Es gibt drei Gefühlsbooster, die eine Art suptropisches Gefühlsklima herstellen, in dem eine Verliebtheit wächst und üppig gedeiht, die unter anderen klimatischen Verhältnissen womöglich gar keine Chance hätte. Interessanterweise entstehen die meisten Affairen unter diesen Bedingungen. Schauen wir uns das genauer an.
(1) Die Blase:
Das Kennenlernen passiert wie in einem Vakuum, das den Großteil des eigenen Lebens ausblendet. In dieser Blase existieren für einen nur das Objekt des Begehrens und man selbst. Es gibt keinen Alltag mit seinen Anforderungen und Pflichten. Es gibt keine anderen Menschen, die einem wichtig sind.
Im Bachelor erledigen das die Drehbedingungen, und zwar besonders extrem: Der Drehort ist fernab von Zuhause, regelrecht abgeschottet von der Umwelt, der Tag wird vom Sendeablauf bestimmt. Inhaltlich dreht sich alles nur um den Bachelor: Das Hoffen auf ein Date, das Date selbst, das Interpretieren seiner Aussagen und seines Tuns, Klatsch und Tratsch. Es gibt weder Ablenkungen, noch Kontakt zur Außenwelt.
Auch eine Affaire findet in einer Blase statt: Die meisten Affairen sind geheim und werden von den Beteiligten von ihrem eigentlichen Leben getrennt. Kontakte und Treffen passieren im Verborgenen. Bei manch einem sorgt diese Heimlichkeit für einen Kick. So ein gemeinsames Geheimnis ist wie ein Bündnis – es schweißt zusammen.
(2) Die Events:
Man erlebt ein Highlight nach dem nächsten. Das Besondere ist Programm.
Beim Bachelor wird da kräftig geklotzt, Erlebnisse der Superlative werden serviert: vom Hubschrauberflug bis hin zum Theater für sich alleine. Viele der Kandidatinnen sind bei Dingen dabei, die in ihrem eigenen Leben sicherlich so nicht passieren würden. Außerdem wird kräftig in die Romantikkiste gegriffen mit Candlelightdinner an den schönsten Orten oder romantisch dekorierten Whirlpool-Momenten. Unabhängig davon ist das Date an sich schon ein Event. Eben weil es da reichlich Konkurrenz gibt, die ebenfalls nach Aufmerksamkeit verlangt beziehungsweise für den Bachelor die Qual der Wahl bedeutet.
Damit sind wir bei der deutlichsten Parallele zu einer Affaire: der Verknappung. Weil es ein Leben außerhalb der Affaire gibt, ist die Zeit zu zweit sehr begrenzt. Kontakte müssen an das eigentliche Leben angepasst werden. Eine Textnachricht oder eine Begegnung werden so zu einem Highlight an sich. Es ist etwas Besonderes, das nicht jederzeit möglich ist und nur mit viel Einsatz und Geschick machbar ist, für den der noch einen anderen Partner hat. Zusätzlich wird durch die Verknappung ein Sehnen gefüttert.
Viele Affairenpaare unternehmen weniger Aufregendes, als die Kandidaten des Bachelor. Das liegt schon alleine daran, dass sie immer mit dem Thema der Geheimhaltung zu tun haben. Von daher sind ihre Treffen und Treffpunkte eher in dem Sinne als exquisit zu verstehen, als dass sie im Verborgenen stattfinden.
(3) Die Solidarität:
Das Sich-verbünden verstärkt sich, in dem das Verbindende zwischeneinander betont und die Konkurrenz abgewertet oder zumindest in Frage gestellt wird.
Beim Bachelor geschieht das, indem man in Gesprächen gegenseitig nach Gemeinsamkeiten sucht, über Zukunftswünsche spricht und dem anderen Wohlfühlmomente rückmeldet. Vereinzelt kommt es zu Äußerungen oder Fragen über „Konkurrentinnen“. Die Kandidatinnen heizen ihr Sich-verbünden-Gefühl obendrein durch Klatsch und Tratsch untereinander an. Außerdem durch hypothetische Überlegungen in Bezug auf deren Ranking beim Bachelor.
Affairenpaare entwickeln ein Solidaritätserleben oft durch das Gefühl, verstanden zu werden. Der andere sieht mich, respektiert mich, hört mir zu. Meistens entstehen Affären, wenn in der Hauptbeziehung etwas fehlt. Jetzt treffe ich auf jemanden, der mir das gibt, was ich vermisse. Was natürlich ganz schön viel Emotion aufwirbelt: absolutes Verstandenwerden kann verliebt machen. Es stellt sich die Überzeugung ein: Das ist mein Traumpartner!
Der Kontext wird dabei schnell mal vergessen: Sowohl, dass der Affairenpartner von den eigenen Problemen nicht unmittelbar betroffen ist und deshalb viel entspannter reagieren kann. Als auch, dass sich Partner im Laufe einer Langzeitbeziehung oft schleichend aneinander gewöhnen und es irgendwann an gegenseitiger Aufmerksamkeit fehlt. Sind beide Affairenpartner in einer Hauptbeziehung, leiden sie in ihren Beziehungen oftmals unter sehr ähnlichen Dingen. Miteinander sprechen sie über ihre Unzufriedenheit, was das Sich-verbünden und das „Du bist ES“-Gefühl noch weiter intensiviert.
Wer sich verliebt, landet nicht automatisch in einer Langzeitbeziehung!
All diese Gefühlsbooster befeuern wechselseitig den Verliebtheitszustand. Und das löst ganz schön was aus! Im Gehirnscan weisen Verliebte sogar Merkmale eines Rauschzustandes auf. Verliebt-sein macht happy und high!
Dazu kommt die Schokoladenseite. Beide zeigen sich von ihrer besten Seite, was einfach ist bei diesen Hochgefühlen. Neben der Sehnsucht nach dem anderen, sieht man in diesem Stadium ja auch nur das Positive!
Ist es bei alledem noch verwunderlich, wenn sich eine Affaire so viel „richtiger“ als die Hauptbeziehung (oder das Singledasein) anfühlt?
Wer jetzt den Kopf einschaltet, dem müsste klar sein, dass das nicht der Alltag ist. Ob ein Liebesverhältnis den nächsten Schritt schafft, eine Beziehung, das kann sich erst unter Alltagsbedingungen und einem weiteren Kennenlernen herausstellen. Dann erst zeigt sich, ob aus Verliebtheit Liebe wird.
Wer also für eine Affaire seine Hauptbeziehung beendet, der sollte sich darüber im Klaren sein, dass es nicht Liebe ist, die ihn dazu bewegt, sondern Verliebtheit mit der Hoffnung auf Liebe. Bei den meisten der Bachelorpaare hat sich diese Hoffnung nicht erfüllt.
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Von Petra Nordhaus - Als Beziehungscoach & Paartherapeutin helfe ich Menschen, in Liebesdingen klarer zu sehen